Heute war so ein Tag, der irgendwie ruckelig anfing, aber dann doch noch richtig toll wurde. In den meisten Urlauben ist so einer dabei, es ist fast nie einer der „Nationalpark-Tage“ oder der geplanten „Highlight-Tage“, sondern immer einer der Transfer-Tage dazwischen.

Es fing auch nicht schlimm an, sondern einfach irgendwie unorganisiert und ja, ohne richtigen Plan. Also bin ich erstmal etwas in Wenatchee rumgeeiert – wollte in einem Diner frühstücken, die nehmen laut Webseite nur Bargeld, habe aber keins mehr. Also eine Bank suchen – die wollte meine Karte nicht.

Also kein Bargeld, na gut, dann frühstücke ich eben irgendwo am Fluss und hole mir dazu was im Safeway. Das Navi führt mich komisch, ich entscheide, dass ich ja doch noch im Pybus Market (laut meiner Gastgeberin sowas wie die lokale Version des Pike Place Market in Seattle) vorbeischauen kann. Mache ich auch (Fotos gleich unten), fahre danach dann zu einem Statepark am Zusammenfluss von Columbia und Wenatchee River. Ach, die wollen 10$ Eintritt? Nee, das ist mir dann doch zuviel für 10min rumsitzen und frühstücken…

Danach wurde es dann schlagartig und bis zum Abend besser, versprochen!

Also noch kurz der Pybus Market, bevor wir Wenatchee verlassen… Gefällt mir viel besser als das Original, weil es hier nicht lauter so komischen Kram zu kaufen gibt, sondern entweder Stände mit normalen Lebensmitteln (Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst), vernünftige Geschenkartikel und Haushaltsgegenstände (also Geschirrtücher und lokale Süßigkeiten und so) oder Cafés und Restaurants verschiedener Ausrichtung. Es war ziemlich leer, aber selbst mit mehr Publikum wäre das hier nicht so ein Rummel wie in Seattle.

Schnell das Navi neu programmieren, jetzt aber wirklich richtig – und dann weiche ich doch nach einigen Kilometern ab von dem, was die Uschi mir vorgibt, weil ich nämlich immer noch nicht gefrühstückt habe. Also biege ich irgendwo, wo es nett aussieht, vom Highway ab und fahre ein bisschen durch die Obstplantagen.

Wenatchee und Umgebung ist nämlich die „Apfelhauptstadt“ (von irgendwas, das habe ich schon häufiger gelesen, kann also nicht die WELT-Apfelhauptstadt sein, aber vielleicht die von Washington). An einer schönen Stelle halte ich einfach an und genieße ein Frühstück aus der Hand bei Vogelzwitschern und schöner Aussicht.

Mein erstes Ziel heute ist Leavenworth, wieder so ein Ort, von dem vermutlich niemand hier je gehört hat. Es war früher mal ein Holzfäller-Ort, aber in den 60ern brauchten sie ein neues Zugpferd, um als Ort zu überleben, und haben sich überlegt, sie könnten doch ein bayrisches Dorf werden. Ja, genau. Bayern, blau-weiß, Lederhosen und Dirndl. Und so wurde aus dem Ort so eine Art „Disneyland-Bayern“, von Starbucks über Safeway bis zu den Straßennahmen, und so ziemlich jedes Haus eigentlich.

Sehr witzig, es wirkt tatsächlich gar nicht so unecht (wie z.B. das Las Vegas-Venedig oder -New York), wenn man nicht ganz genau auf die dann doch vorhandenen englischen (zweit-)Beschriftungen achtet, dann sieht es schon ziemlich bayrisch aus.

Vor allem, da auch die Landschaft im Hintergrund sehr nach Alpen aussieht, nur Kuhglocken habe ich keine gehört. Dafür aber Blaskapellenmusik aus dem Pavillon unter dem Maibaum und zur vollen Stunde eindeutig digitales Glockenspiel aus dem Turm. Man darf nur nicht so pingelig sein, wenn auf einmal Innsbruck und Mozart als Namen von Restaurants oder Geschäften auftauchen oder auf einem Bild als Untertitel was von „Bayern St. Pauli“ steht…

Tja, und auf einmal taucht unerwartet die Gelegenheit auf, einen weiteren Haken auf meiner Bucketlist zu machen (das Tiny House hatte ich ja schon erledigt, und ein weiterer Haken steht hoffentlich morgen an). Denn es gibt hier einen Laden, in dem man sich in verschiedenen Verkleidungen fotografieren lassen kann. Vor so einem hab ich in Colorado schon mal gestanden, der hatte aber gerade Mittagspause. Dieser hier nicht. Und sie haben spontan Zeit.

Ich kann mir zunächst mal ein Thema aussuchen – der Favorit der meisten Kunden ist hier bayrisch, dazu passend gibt es einen Raum, der sehr nach Oktoberfest aussieht mit Biertischen, Masskrügen, Brezeln, blau-weißen Flaggen und so… Aber das ist jetzt nicht unbedingt das, was ich will. Passend zu meinen Pionier-Frauen-Büchern nehme ich so ein Kleid aus der Zeit um 1890 (naja, wie historisch korrekt das ist, lassen wir mal offen) und den Scheunenhintergrund.

Dann wird das Kleid ausgesucht – und mir werden alle dazugehörigen Teile überreicht. Drei erstmal, die Accessoires kommen später dazu. Also ab in die Umkleide und Reifrock, Unterrock und Kleid anziehen. Halleluja, da muss man auch erstmal alles richtig übereinanderbekommen. Und dann heile und ohne Kollateralschäden durch den halben Laden zum richtigen Hintergrund.

Es gäbe auch noch Saloon und „Raum mit roten Samtvorhängen“, also so ein typischer alter Fotografen-Hintergrund. Aber das mit der Scheune gefiel mir am besten.

Ich bekomme noch einen Hut und kann mir ein Accessoire aussuchen – Fächer, Sonnenschirm oder eine Waffe. Das ist einfach, Waffe will ich nicht. Fangen wir mal mit dem Fächer an (den Sonnenschirm machen wir später auch noch). Zwischendurch fege ich mit meinem Rock mal eben die Lampe vom Dekohocker, da ist echt ganz schön viel Volumen um einen rum, das da sonst nicht ist. 

Da die Mitarbeiterin zwischendurch mit einer potentiellen Kundin mit vielen Rückfragen telefoniert, nutze ich die Gelegenheit, ein paar Selfies zu machen (nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber hier kann ja Hilde nicht für mich einspringen) und auch die Räumlichkeiten zu fotografieren.

So, da ist sie wieder. Wir machen Fotos im Sitzen auf einem Barhocker (da rafft man alle Röcke hoch und stülpt sie über den Stuhl, sonst hat das vorne raus so lustige Effekte durch den Reifrock) und im Stehen, mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken und eben mit Fächer und mit Schirm.

Als wir damit durch sind, wurschtel ich mich aus dem ganzen Stoff wieder raus und zurück ins 2022er T-Shirt und Hose. Dann kann ich mir die Fotos als Slideshow anschauen, jeweils in Sepia und bunt, und meine Favoriten direkt nebeneinander vergleichen, bis am Ende eins übrig bleibt, das ausgedruckt wird. So einfach geht das mit dem Haken auf der Bucketlist… schon der fünfte in diesem Jahr!

Der nächste Programmpunkt war locker geplant und lag eh auf dem Weg, zeitlich passte es auch – also gab es Mittagessen in einem typischen 1959er Diner am Wegesrand. Mit viel Original-Deko, Bonbonfarben, 50er-Jahre-Musik und den klassischen Gerichten wie Burger und Milchshakes.

Übrigens – Guy war auch schon hier. Also Guy Fieri. Der aus dem Food Network, einer meiner Favoriten, und seine Sendung läuft IMMER. Jeden Tag. Gefühlt zu jeder Uhrzeit (wenn nicht gerade Chopped läuft natürlich).

Burger und Milchshake habe ich dann auch bestellt, Burger gibt es in der glutenfreien Variante ohne Brötchen, O-Ton: „Served with absolutely no bread in sight“.

Von hier aus ging’s weiter den Highway lang, mit einem kleinen Abstecher an einem verheißungsvollen Schild (Cascades Meadow), das genau auftauchte, als ich gerade mal eine halbe Stunde Lesepause mit Aussicht machen wollte. Ich bin also einfach mal in die Straße abgebogen und so lange gefahren, bis es nett aussah – hier sogar fast schon offroad, jedenfalls hatte die Schotterstraße Schlaglöcher! Ansonsten gab es sehr viel nichts in Form von Bäumen, Blümchen, Gras und dem Nason Creek neben mir.

Und irgendwann eine Eisenbahnbrücke, einen passend liegenden Baumstamm zum Sitzen und Platz für das Auto. Was will frau denn mehr? Genau, nichts. Also habe ich hier Pause gemacht, mir die Gegend angeguckt, Blümchen fotografiert, gelesen…

und im letzten Moment, ich saß schon wieder im Auto, auch noch Flugzeuge fotografiert. Also auf Schienen, da fuhr ein Zug mit bestimmt 10 von diesen Flugzeugrümpfen durch den Wald. Skurril…

Das war’s dann auch schon fast für den Tag – ich bin noch über einen Pass gefahren, schließlich musste ich wieder auf die westliche Seite der Cascade Range kommen. Ausgestiegen bin ich aber diesmal nicht, es gibt nur ein paar Windschutzscheiben-Fotos von unterwegs.

Noch ein kurzer Stopp, weil’s da so schön aussah, direkt neben der Straße am Tye River (wenn man Google trauen kann, da habe ich das gerade nachgeschaut).

Und dann schnell bis zum Airbnb in Mount Vernon durchfahren. Mir kommt es ja komisch vor, so einfach in ein fremdes Haus zu gehen, sagte ich ja bereits. Hier war dann aber tatsächlich niemand da, also habe ich mit dem Code die Tür geöffnet und mich halt alleine umgeschaut. Witzig, wenn man dann etwas später im Wohnzimmer sitzt, wenn die Eigentümerin samt Hund reinkommt. Fand der Hund auch komisch 😉

Ansonsten ist aber alles wie bei Airbnb beschrieben, hier könnte ich sofort einziehen… mehr Fotos gibt’s hier

Letzte Anekdote, ich bin müde und will schlafen – das ist jetzt schon das zweite Airbnb, in dem die Spülmaschine nicht zum Spülen genutzt wird. In Portland hing ein Schild dran, dass da kein dreckiges Geschirr reinkommt, sondern nur sauberes. Ich hab’s nur immer vergessen, danach zu fragen. Als die Gastgeberin dann aber vorhin meinte, sie nutze die eigentlich nur zum Geschirrtrocknen, habe ich doch mal nachgefragt. Sie hat kein Trockengestell (ich auch nicht), daher spült sie das Geschirr (ich eher nicht) und stellt es dann in die Spülmaschine zum Trocknen. Hm. Naja. Jeder wie er/sie mag, aber das erscheint mir doch reichlich unlogisch. Ihre Mutter macht das übrigens auch, die weiß allerdings nicht mal, ob das Ding noch laufen würde, wenn sie es bräuchte…