Heute bestimmen die Gezeiten ein bisschen meinen Tagesablauf. Daher sitze ich um 8:00 Uhr im Auto, nehme noch schnell einen Kaffee mit und bin dann eine halbe Stunde später an der Küste. Erster Halt: Rialto Beach.
Dort kann man (wenn man es denn schafft, nicht ständig an jedem Baumstamm hängen zu bleiben und zu fotografieren) am Strand entlang laufen bis zum Hole in the Wall.
Die Farbpalette ist heute komplett anders als gestern, statt grün ist alles grau. Aber auf eine positive Art. Es ist bewölkt, regnet aber nicht. Das Meer ist grau, der Strand besteht aus großen und kleinen grauen Steinen, dazu kommen die vielen ausgeblichenen Baumstämme. Selbst der Wald im Hintergrund wirkt grau, weil es immer noch ein bisschen neblig ist.
Da es noch so früh ist, sind hier kaum Menschen. Und sobald man sich 20 m vom Parkplatz entfernt, ist man wirklich komplett alleine. Und so genieße ich ganz in Ruhe die Wellen, wechsel zwischendurch mal den Sitzplatz und bewege mich dabei langsam die Küste entlang.
An einigen Stellen muss ich etwas warten, denn je nach Wellenhöhe kommt das Wasser bis zu den quer liegenden Baumstämmen und ich muss warten, bis ich trockenen Fußes daran vorbei komme. Da ich ja besagte Gezeitentabelle gelesen habe, weiß ich, dass jetzt gerade der Höhepunkt der Flut ist – das Wasser kommt also nicht noch höher und ich komme somit auch sicher wieder zurück.
Ich laufe bis zum Ellen Creek, weiter geht’s nicht ohne nasse Füße. Und während ich nasse Haare oder auch eine nasse Hose vom Sitzen auf Baumstämmen nicht so schlimm finde, brauche ich keine komplett durchnässten Schuhe. Also gibt es nur ein Foto vom Split Rock, und dann mache ich mich auf den genauso langsamen Rückweg zum Auto.
Natürlich gibt es auch jetzt wieder zahlreiche Baumstämme, die Probe gesessen werden wollen. Und ich beobachte lange, wie unterschiedlich Wellen brechen. Insgesamt sehe ich in drei Stunden acht andere Menschen und zwei Hunde. Das lässt sich aushalten.
Am Horizont taucht sogar sowas wie blauer Himmel auf, wenn ich Glück habe, kann ich heute Nachmittag Strand mit Sonne fotografieren. Insgesamt wird es aber auch jetzt schon heller, was nur heißt, dass ich natürlich umso mehr Fotos machen muss. Die erspare ich euch aber jetzt mal…
Zurück am Ausgangspunkt sehe ich dann doch mehr Menschen, die sich allerdings nicht weit wegbewegen von ihren Autos. Auch die Selfiestick-Dichte nimmt rapide zu.
Egal, nicht mein Ding. Ich hole also nur schnell einen Snack und ein Getränk aus dem Auto und gehe zurück zu dem Baumstamm, den ich mir vorhin schon ausgesucht habe. Mit Twilight im Ohr, untermalt von der Brandung, mache ich Pause vom „anstrengenden“ Vormittag.
Außerdem versuche ich mich an einem Bild, stelle allerdings fest, dass ein grau schwarzer Strand ziemlich schwer zu malen ist, wenn man keine schwarze Farbe hat. Ich muss nachher mal im Thriftway Supermarkt schauen, ob die sowas haben. ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, denn das ist so ein Laden, in dem es einfach alles gibt. Bis dahin bleibt das Bild unfertig. denn ohne schwarz habe ich keine Lust, weiterzumachen.
Nachdem ich insgesamt ungefähr 4 Stunden am Rialto Beach verbracht habe, geht es weiter, beziehungsweise erst ein Stück zurück und dann auf der anderen Seite am Fluss entlang wieder bis ans Meer. Der Ort heißt La Push, die Strände sind relativ unkreativ benannt: First Beach, Second Beach, Third Beach.
Hier steht alles im Zeichen von Twilight, neben der tollen Natur gibt’s sonst zugegebenermaßen auch nicht viel.
Wie es sich gehört, fange ich mit dem First Beach an. Der liegt mitten im Ort, wobei Ort auch schon wieder ein großes Wort ist. Er ist Teil des Quileute Reservats, aber auch des Olympic Nationalparks. Und eher eine kleine Ansammlung von Häusern, mehr nicht.
Den Strand finde ich ganz nett, aber er haut mich nicht vom Hocker. Also trinke ich meinen Kaffee (ja, den hab ich noch organisiert) und sitze so lange auf einem Stein mit Aussicht, fahre dann aber direkt weiter…
… zum Second Beach. Der liegt nicht direkt an der Straße, man muss 0,8 Meilen laufen. Durch den Wald, darum ändert sich kurzfristig mal eben die Farbpalette wieder auf grün. Auch hier wieder finde ich die üppige PflanzenWelt total faszinierend, Farn und Bäume und Gräser und Blumen und Moos… überall gibts was zu sehen. Was ich wieder nicht sehe, ist die Bananenschnecke. Ich habe laufend links und rechts den Wegrand gescannt, ob irgendwo was gelbes leuchtet. Denn Bananenschnecken sind wirklich ziemlich gelb. Außer gelben Blättern war aber nichts zu sehen. Naja… mir bleibt ja noch Rückweg (und natürlich weiß ich, während ich das hier schreibe, schon, ob ich eine Bananenschnecke sehen werde – verrate ich euch aber noch nicht).
Also, der zweite Strand. Am Ende des Weges muss man ungefähr 70 Höhenmeter nach unten und kommt dann an einem großartigen Strand raus. Viel heller als Rialto Beach, und fast ausschließlich Sand und keine Steine. Obwohl das eigentlich gar nicht sehr weit weg ist, Luftlinie 2 km oder so. Aber umso besser, so habe ich noch mal was ganz anderes unter den Füßen.
Auch hier halte ich mich viel länger auf als ich gedacht hätte, insgesamt mit Hin- und Rückweg mehr als drei Stunden. Erstmal der Überblick, wie es dort aussieht:
Zunächst gehe ich nach rechts, da gibt es Felsen und demnach wahrscheinlich am ehesten Tidepools, also kleine Tümpel, die bei Ebbe zurückbleiben und diverses Meeresgetier enthalten.
Im ersten Moment ist da nicht viel los, aber wenn man genauer hinsieht, findet man immer mehr interessante Bewohner. Nicht immer kann man sie auch gut fotografieren, da sie naturgemäß unter Wasser sind und die Kamera nicht. Hier also nur die Ausbeute, die ein bisschen was erkennen lässt.
Nachdem ich mich hier fototechnisch ausgiebig ausgetobt habe, laufe ich in südlicher Richtung den Strand entlang. Es ist wirklich wenig los hier, und wie immer nimmt das dann auch noch ab, wenn man sich ein bisschen vom Ausgangspunkt entfernt. Der Strand ist bei Ebbe super breit, gut zu laufen und leider auch sehr ergiebig, was schöne Aussichten angeht und damit auch die Anzahl der Fotos.
Sowohl „Panorama“…
… als auch Details:
Was das auf den letzten Bildern für Tiere sind, muss ich erst noch rausfinden. Irgendeine Art Muscheln vermutlich, als ich die zuerst gesehen habe, dachte ich da hätte schon mal jemand drauf getreten. Sieht schon so aus, als wäre die Schale gebrochen. Allerdings haben sie alle diese Sollbruchstelle, demnach gehört das offensichtlich zum Konzept. Ich habe dann noch einen weiteren Baumstamm mit diesen Tieren gefunden, da hängen sie so richtig ordentlich nebeneinander. Hab ich noch nie gesehen sowas.
Irgendwann bin ich dann wieder am Ausgangspunkt, und weil’s so schön war gehe ich noch mal bis zu den Felsen am nördlichen Strandende, beziehungsweise einfach weiter geradeaus am Wasser lang. Und jetzt kommt mir die auf den Afrika reisen erworbene Fähigkeit zugute, Tiere zu finden.
Nummer eins und zwei: Bald Eagle (Also Adler, das Wappentier der USA).
Zugegebenermaßen muss man schon den Zoom der Kamera voll ausreizen, um sie erkennen zu können. Sonst könnte man sie auch für Steine oder Möwen halten. Ich finde es ja immer wieder lustig, dass Tiere oft in Wirklichkeit genau die Gesichtsausdrücke haben, die ihnen in Comics oder Zeichentrickserien verpasst werden. Irgendwie denke ich immer automatisch, dass das der Zeichner aus dramaturgische Gründen so gemacht hat, aber die hier gucken wirklich so grimmig.
Tier Nummer drei hat mich dann deutlich länger fasziniert, nachdem ich es erstmal als Tier identifiziert hatte. Erst sah das nämlich so aus, als würde da einfach nur ein Stück Holz treiben. Aber dann streckte das Stück Holz auf einmal Hände und Füße aus dem Wasser… und outete sich als Seeotter.
Während ich ungefähr 50 Fotos von dem Kollegen gemacht habe, damit wenigstens eins dabei ist, das scharf ist (was ich auf dem kleinen Kamera Monitor nicht genau erkennen kann), taucht rechts davon ein weiterer Kopf auf. Der sah aber irgendwie anders aus. Auftritt Tier Nummer vier: der Seehund.
In unmittelbarer Nähe zum Seeotter. So nah, dass ich auch Bilder mit beiden zusammen habe.
Um mein Tiersichtungskarma positiv zu beeinflussen, habe ich meine Sichtung dann auch weitergegeben an andere Touristen. Wer weiß, wofür es gut ist…
Vor den Adlern hatte ich auch noch ein paar Meeresbewohner der kleineren Art fotografiert, aber das hätte meine Zählung oben durcheinander gebracht. Hier eine kleine Auswahl:
Irgendwann hatte ich dann aber tatsächlich genug und ich habe mich daher auf den Rückweg gemacht. Neben den Seesternen, die ich nicht gefunden habe, fehlte ja immer noch die Bananenschnecke. Also habe ich wieder aufmerksam den Wegrand gescannt, andere Schnecken dabei sogar auch gefunden, aber eben nicht die gelbe. Aber – genau in dem Moment, als ich dachte „ich kann schon die Straße hören, jetzt müsste sich Benny die Bananenschnecke aber mal beeilen“ war er/sie/es da. Hurra! Und ein paar Meter weiter sogar noch eine. Die Farbe kommt hier noch nicht so gut raus, glaube ich, das kann ich aber erst zuhause am Monitor so richtig sehen. Glaubt mir, sie sind GELB!
Als ich heute Morgen losgefahren bin, dachte ich eigentlich, dass ich 1 Stunde oder so an dem ersten Strand bleibe, über Mittag nach Hause fahre und dort was esse und vielleicht ein Stündchen schlafe und dann pünktlich zur Ebbe an den zweiten Strand fahre. Nun ja, das war dann irgendwie anders als geplant, ich war insgesamt ungefähr 8,5h am Strand. Aber es war einfach so schön und vor allem auch so trocken, dass ich null Bedürfnis hatte, zwischendurch nach Hause zu fahren.
Falls das jemandem aufgefallen ist, ich hatte außer zwei Proteinriegel und ein paar restlichen M&M’s kein Mittagessen. Dementsprechend hungrig war ich. Als hätte ich’s gewusst war heute eh ein Abendessen auswärts geplant, nicht nur was im Hotel auf die Hand. Die örtliche Pizzeria hat, wie hier fast schon Standard, glutenfreie Alternativen. Da ich das von zu Hause sogar nicht gewohnt bin, nutze ich das natürlich aus.
Also stand ich wenig später bei Pacific Pizza und habe mir eine Pizza bestellt. Nach 2 Minuten ist mir dann aufgefallen, dass ich vielleicht auch dazu sagen sollte, dass die glutenfrei sein muss. Das war zum Glück noch möglich. Und so konnte ich voller Genuss meine leckere Pizza verspeisen. Kurz habe ich überlegt, warum die Medium Pizza für 2-3 Leute sein soll, aber beim Blick auf die anderen Tische konnte ich sehen, dass deren Pizzen tatsächlich ungefähr dreimal so dick waren wie meine, halt eher in Richtung Chicago Style, und in der Regel zahlreiche Beläge hatten. Meine war eher dünn, und ich mag eh nur Pizza mit einem Belag. Lange Rede kurzer Sinn: die war so, wie eine normale deutsche Pizza.
Während ich an der Theke stand und meine Fehl-Bestellung korrigieren wollte, wurde ich übrigens auf meinen Pulli angesprochen. Vorne schlicht grau und mit dormakaba Logo, hinten steht mehr Text drauf – und den konnten zwei ältere Damen nicht zu ordnen und waren neugierig… „I organized an SMC in a week and survived“. Auf Senior Management Conference sind sie wohl nicht gekommen… Normalerweise müsste ich den Pulli ja nicht unbedingt überall tragen, aber er ist halt sehr kuschelig und gleichzeitig dünn, so dass man noch eine Regenjacke drüberziehen kann.
Das war der letzte Programmpunkt für heute, jetzt folgt nur noch Fotos sichern, sichten, aussortieren, verkleinern, hochladen, in den Text einfügen, Beitrag veröffentlichen. Wie immer halt.
Morgen geht es dann nach Oregon, erst noch ein bisschen im Nationalpark und danach die Küste runter.
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