Kein Adler heute… ok, strenggenommen habe ich nicht wirklich viel nach oben geguckt, aber ich glaube da war wirklich keiner. Stattdessen begann der Tag mit einem Kaffee (ach…) in der Küche und einem Gespräch mit dem Gastgeber über Online-Konferenzen und Homeoffice, Reiseziele und Tipps vor Ort… Sehr praktisch, dass er für Nike und viel mit internationalen Teams arbeitet, u.a. in Europa, deshalb ist er meistens schon früh wach. Meine bisherigen Gastgeberinnen haben ja immer noch geschlafen, wenn ich das Haus verlassen habe.

Da ich heute ja tatsächlich einen Termin hatte, musste ich pünktlich aus dem Haus und in die Straßenbahn (Light Rail) steigen. Mein Auto parkt direkt vor dem Haus, ungefähr da, wo der rote Pfeil hinzeigt. Mein Airbnb liegt hinter dem weiß-grünlichen Gebäude. Also wirklich direkt um die Ecke.

Bus- und Bahnfahren ist hier denkbar einfach. Erstens ist das Netz sehr dicht, ständig kommt man an Bus- oder Bahnhaltestellen vorbei. Und dann ist auch der Ticketkauf nicht so kompliziert wie bei uns. Eine Fahrt kostet 2,50$. Kann man am Automaten als Papierticket kaufen, oder in der App, oder per Kreditkarte-auf-dem-Handy, oder man hält einfach seine Kreditkarte vor das HOP-Lesegerät an einer beliebigen Station und zack – man ist drin. Nutzt man die gleiche Karte zweimal am gleichen Tag, hat man damit automatisch ein Tagesticket erworben, das kostet nämlich 5$. Für alle Busse und Bahnen. Soviel man will. Muss ich noch erwähnen, dass es in allen Bussen und Bahnen Masken und Desinfektionsspender gibt? Wobei ich zugebe, dass ich seit Corona in Deutschland nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren bin, vielleicht ist das da ja inzwischen auch Standard…? aber ich kann’s mir kaum vorstellen…

Ein paar Impressionen von „unterwegs“ – man sieht gleich, dass Portland die Stadt der Rosen ist… dazu kommen später mehr, aber es passte schonmal gut zum (bzw. zu einem) Thema des Tages:

Ich war mit reichlich zeitlichem Puffer losgefahren und konnte ganz gemütlich durch die Straßen zum Treffpunkt schlendern. Schon der erste Eindruck war total positiv, irgendwie wirkte es aufgeräumter und sauberer als Seattle (zumindest als die Gegend, in der ich am ersten Tag war). Auch hier gibt es Obdachlose, regelmäßig sieht man Zelte auf dem Bürgersteig, aber trotzdem ist es anders.

Nun aber zu meinem 10-Uhr-Termin 🙂
Ich hatte schon vorab eine Kaffee-Verkostungs-Tour gebucht. Portland ist sehr bekannt für gutes Essen, gutes Craftbeer und guten Kaffee. An wirklich jeder Ecke ist ein Café, das direkt einlädt, reinzukommen und ein Tässchen zu trinken. Oder eigentlich eher reinzukommen und einen Becher mitzunehmen. Wirklich NIEMAND ist hier auf der Straße ohne Kaffeebecher unterwegs gewesen, während ich zum La Perlita (dem Treffpunkt) gelaufen bin.

Da saßen schon so zwei Menschen, die irgendwie nach Kaffeetour aussahen, oder zumindest irgendwas zu warten schienen. Und richtig, sie wollten auch Kaffee verkosten.

Unser Tourguide Katrina kam kurz darauf dazu, und damit waren wir auch schon komplett. Zwei Colorado-aner und ich. War also eine sehr persönliche Tour, diese „third wave coffee tour“.Warum third wave, fragt ihr? Das war fast das Erste, was die uns erklärte, in der jüngeren Kaffee-Geschichte gab es nämlich drei Wellen:

Ungefähr ab den 1950ern war Kaffee primär InstantKaffee (in den USA jedenfalls), es musste schnell gehen. Parallel kamen z.B. auch Mikrowellen und -gerichte auf den Markt (erste Welle).

Ungefähr in den 1970ern kam dann Starbucks ins Spiel, da ging es vor allem darum, den Kunden Kaffeegetränke mit Milch und „süß“ näherzubringen, basierend auf italienischen Espresso-Kreationen (zweite Welle).

Und die dritte Welle begann Anfang der 1990er, aber hat so richtig Schwung genommen wohl so ab 2010 – nun geht es um den fairen Handel, Anbaumethoden, Verarbeitungsprozesse, Zubereitung, kurz: Qualität und „specialty coffee“, kein Massenprodukt. Analog zum „farm-to-table“-Konzept beim Essen nennen sie es hier oft auch „farm-to-cup”.

Und solche Specialty Coffees sollte es heute nun geben, vier Cafés standen auf dem Plan, teilweise mit mehreren Getränken zum Probieren. Und damit wir nicht schon nach der Hälfte nur noch mit aufgerissenen Augen wie Duracell-Hasen rumhüpfen können, gab es kleine Probierbecherchen, so dass wir jeweils nur relativ kleine Mengen getrunken haben. Aber Ausspucken wie bei der Weinprobe gab’s nicht, und auch die Reste in den großen Latte-Bechern wie z.B. auf dem Bild mit „rosa Sprenkeln“ unten wurden gerecht verteilt und ausgetrunken.

Erste Station war also La Perlita, ein mexikanisches Café, die Kaffees kommen alle aus Südamerika (wenn ich das richtig verstanden habe jedenfalls).

Wir bekamen gleich drei Kostproben. Zwei davon wurden als „pour-over“, also klassisch handaufgegossen im Filter, zubereitet. Das ist ja eine Wissenschaft für sich… ob es wirklich nötig ist, eine Waage (für die Kaffeemenge und die Wassermenge) zu haben, die dann auch gleich einen Timer eingebaut hat, wage ich für meinen Privatgebrauch mal zu bezweifeln. Andererseits: auch ich als eingefleischte Kaffee-mit-Milch-Trinkerin fand den schwarzen Kaffee sehr lecker, der da unten rauskam. Also ist vielleicht doch was dran…?

Und dann gab’s noch einen Latte Macchiato, der hier immer und überall nur Latte heißt, das übernehme ich mal. Auch wenn die drei Jahre Italienisch-Unterricht in mir nachwirken und auch die Erinnerung, wie mal eine USA-Touristin versuchte, „Latte“ zu bestellen in einem Café in Rom. Die Kellnerin war gelinde gesagt überfordert/irritiert, die Touristin verwirrt, weil sie keinen Kaffee bekam…

Unser Latte heute hatte nicht nur ein hübsches Muster, sondern wurde auch mit Himbeerpulver, braunem Zucker und Kakaonibs dekoriert. Lecker!

Nachdem wir uns ausgiebig durchprobiert und gefachsimpelt hatten, was man da nun rausschmeckt und warum welches Gerät wie benutzt wird, gab’s noch ein paar Hintergrundinfos von Katrina. Die Schaubilder mit den roten Kaffeebeeren hat sie weggelassen, weil sie schon rausgehört hatte, dass wir diese Basics alle kennen. Normalerweise geraten ihr zufolge schon viele Teilnehmer ins Schwimmen, wenn sie fragt, ob Kaffee eine Frucht, eine Nuss oder ein Samen ist… wir sind also gleich mit dem Stammbaum der Sorten Robusta (der Zweig rechts mit den Lila Kästchen) und Arabica (alle anderen Zweige!) und ihrer Unterarten eingestiegen.

Anschließend ging es ein paar Straßen weiter zu „Nossa familia“, einem lokalen Kaffeeröster. Ein ganz kleiner Laden, deshalb standen wir nach dem Bestellvorgang dann mit unserem leckeren Kaffee draußen. Wieder eine Latte-Variante, diesmal mit Zimt und Cayenne und eventuell noch irgendwas, aber die beiden konnte man rausschmecken. Ebenfalls SEHR lecker! Als Hintergrundinfos hat Katrina uns hier vor allem erklärt, worauf man als Normalsterblicher und als Kaffee-Nerd so achten sollte, wenn man Kaffeebohnen kauft. Für Normalos reicht es, wenn man das Herkunftsland und die Sorte anschaut, ggfs. die „Geschmacksnuancen“, also sowas wie nussig/schokoladig, und dann auf jeden Fall das Röstdatum, das bei guten Kaffees auf der Packung steht. Länger als 4 Wochen sollten Bohnen nicht im Regal stehen, meinte sie. Nerds gehen über genaue Anbaugebiete bis zum Hersteller (Name und Gesicht!) und dem Herstellungsprozess, wenn sie Kaffee auswählen…

Und gleich weiter zum nächsten ebenfalls lokalen Kaffeedealer, wenn auch nicht ursprünglich aus Portland, sondern aus Sisters, was auch gleich den Namen erklärt…

Hier gab’s zwei Sorten zu testen, einen Dark Roast (ich weiß gar nicht, wie der zubereitet wurde) und einen am Tisch bereiteten pour-over mit u.a. Erdbeernuancen im Abgang und so. Tatsächlich, das konnte man schmecken, und es war gar nicht so schlecht. Außerdem gab es noch einen leckeren gf Brownie und ein nicht-gf-Gebäckteil. Da ich kein Frühstück hatte, war das gar nicht mal so eine dumme Idee… Hier habe ich dann auch eine erste Sorte für mich zuhause gekauft, allerdings nicht eine der beiden probierten, sondern eine mit der Beschreibung „Haselnuss / Karamell / Schokolade“. Bin gespannt, ob ich mir dann auch noch eine Waage mit Timer kaufen muss oder ob Feinwaage und Fleischthermometer und Handy reichen…

Auf zur letzten Station, auch hier war der Name irgendwie Programm: „Good Coffee“ 🙂
Es gab nochmal einen Latte mit Zimt, ähnlich aber doch anders als vorhin, weil zusätzlich mit Vanille und Mandel. Und dann einen Cold Brew, also kalt aufgesetzten und lange gezogenen Kaffee. Ebenfalls gut, ich fand ihn jetzt nicht großartig anders als guten anderen kalten Kaffee, wenn ich ehrlich bin, aber vermutlich ist „gut“ genau das Stichwort.

Damit war nach etwas über zwei Stunden unsere Tour zuende, und die hat sich echt gelohnt, würde ich sofort wieder machen. Ich habe sogar kurz überlegt, ob ich morgen einfach eine andere Tour buche (sie haben welche in verschiedenen Stadtteilen), aber dann beschlossen, dass ich auch allein von Café zu Café tingeln und was probieren kann. Dann halt als ganze Portion, klar, und vielleicht eher nicht 10 verschiedene…

Als nächstes brauchte ich dringend was zu essen, Katrina hatte uns noch erklärt, wo von Good Coffee aus eine Straße mit vielen Restaurants zu finden ist. Die anderen beiden wollten in eine andere Richtung, aber ich habe das einfach mal ausprobiert. Ich kenne ja hier nix, also warum nicht ihrer Empfehlung folgen… quasi war ich wieder planlos unterwegs!

Ich bin also einmal die 23. Straße rauf- und wieder runtergelaufen und habe geschaut, was gut klingt und gut aussieht.

Thai war in der engeren Auswahl, Burger, eine Bowl… und dann kam eine Whiskey-Bar mit diesem Wandbild, nach der Erfahrung von gestern musste das doch eigentlich gut sein, oder?

Und ja, es war sehr gut. Sieht nicht so unbedingt fotogen aus, das Essen, Coleslaw ist ebenfalls nicht unbedingt hübsch, und Grünkohl mit Fleischeinlage – geht so. Aber gut gemachtes Pulled Pork soll auch vor allem gut schmecken, daher ist das Aussehen echt nebensächlich… Übrigens, wieder was gelernt. Während Grünkohl als Salat auf der Speisekarte oder im Supermarktregal „Kale“ heißt, nennen sie ihn gekocht/gedünstet dann „Collard greens“.

Weiter ging’s zu Fuß, ich hatte ein grobes Ziel, da wären auch Busse/Bahnen hingefahren, aber der nächste Bus erst in 49 Minuten. So lange wollte ich nicht warten, also bin ich zur Umsteigestation gelaufen. Ist eine nette Gegend, die Sonne scheint, ich habe Zeit… also warum nicht?

Die Gegend hier heißt „Alphabet District“, weil die Straßen alphabetisch sortiert sind. Nicht wie z.B. in New York Avenue A, B, C, sondern schon ganze Wörter, nur die Anfangsbuchstaben sind halt fortlaufend. Nächstes unnötiges Wissen: Der Simpsons-Macher hatte zu Beginn wenig Zeit, sich Gedanken um Namen für seine Figuren zu machen, daher hat er sich an Portlands Straßen bedient. Flanders Street, Van Houten Street (so heißt Milhouse mit Nachnamen), Lovejoy Street, Montgomery und Burnside Street…

Jedenfalls habe ich mich von Q bis A im Zickzack durch die Straßen bewegt, quasi wie ein Springer auf dem Schachbrett, ich musste so grob diagonal durch die Stadt. Leider habe ich ungefähr so bei K eine falsche Bewegung mit dem Knie gemacht, und es ließ sich auch durch vorsichtiges in-die-andere-Richtung-Bewegen nicht wieder in den Normalzustand zurückversetzen. Aua… Aber nicht schlimm genug, um mich aufzuhalten. Froh war ich allerdings schon, dass ich irgendwann an der richtigen Bushaltestelle saß…

Mein eigentliches Ziel war natürlich ein anderes, eine kurze Busfahrt entfernt und nicht, ohne alte Bekannt zu „treffen“:

Und schon war ich am International Rose Test Garden. Also ein Park mit gaaaaanz vielen Rosen. 600 Sorten Rosen, um genau zu sein. Nicht alle blühen gleichzeitig, einige waren schon durch, andere hatten die Blüte noch vor sich, aber die Mehrheit blühte genau JETZT. In allen Farben, Formen, Größen und Düften. Ja, überall roch es nach Rosenblüten, und ständig sah man jemanden, der an irgendeiner Blüte schnupperte… und sich meistens mit einem Lächeln wieder aufrichtete 🙂

Langsam, knieschonend, aber trotzdem ausdauernd bin ich dort eine Stunde rumgelaufen und habe mir viele, nicht alle Rosen angeschaut. Meine Lieblinge standen relativ schnell fest, aber auch die anderen waren toll – vor allem in dieser Fülle, auch wenn ich grundsätzlich ja ein etwas einheitlicheres Farbthema ruhiger für’s Auge finde…

A propos ruhig – das wollte ich als nächtes, neben der Fülle und dem Duft (und den vielen Menschen) lag es nahe, direkt nebenan in den Japanese Garden zu gehen. Anders als der Rose Garden mit Eintritt, aber im Schnitt rechnet sich das dann schon. Hier kommt wieder mal so ein Superlativ, ausnahmsweise nicht der/die/das größte oder älteste, sondern der authentischste japanische Garten außerhalb von Japan. Kann ich nicht beurteilen, ich kann nur sagen: Schön war’s.

Ein bisschen unterschätzt hatte ich, wie viele Menschen dort an einem so schönen sonnigen Tag (oder ggfs. auch sonst) sein würden. Aber je weiter weg vom Eingang, desto weniger Trubel. So habe ich trotzdem meine ruhigen Ecken gefunden… und selbst an der in meinen Augen schönsten Stelle war ich längere Zeit ganz alleine und konnte die Ruhe genießen, nur der Wasserfall plätscherte vor sich hin.

ich habe bewusst Bilder ausgewählt, die keine oder wenig Menschen zeigen, manchmal sind wir auch im Gänsemarsch hintereinander hergelaufen oder mussten uns gegenseitig aus dem Bild bitten, aber das ist halt nicht so fotogen…

Es gibt verschiedene Gärten, die total unterschiedlich sind – einen flachen mit Kies, einen Sandgarten, einen Naturgarten (der wirklich fast wie naturgewachsen aussieht, ist er aber nicht), einen Wassergarten…

Immer wieder geht man durch solche Tore in den nächsten Gartenteil…

Kleine Figuren, Laternen oder Brunnen waren überall versteckt, alles war mit sehr gleichmäßigem Moos bedeckt, kaum eine freie Stelle – sieht naturgewachsen aus, ist aber bestimmt auch bis ins letzte Blättchen geplant (was überhaupt nicht wertend ist, und wenn dann ist es Bewunderung, wie man so bis ins kleinste Detail alles planen kann). Hier hatte die Kamera offensichtlich ein Belichtungsproblem oder ich ein Bedienungsproblem, denn eigentlich war das alles sehr saftig grün…?

Das hier ist meine Lieblingsstelle, bzw. der Anfang davon. Der „himmlische Wasserfall“, ein Teich, dann die Zickzack-Brücke (die heißt wirklich so!), Kois, viel Grün, noch ein kleiner Wasserfall… soooo schön… und dann sind auch noch irgendwann alle Leute verschwunden und ich konnte die Idylle ganz alleine genießen… 🙂

Kurz vor dem Ende noch eine hübsche Brücke und zwei unechte Reiher…

… und Bonsais dürfen natürlich auch nicht fehlten…

Damit war der Tag fast vorbei, das Knie wollte auch nicht mehr. Hunger hatte ich noch nicht so richtig, ein bisschen Brot und Müsli würden mir reichen. Also ab in den Washington Park Shuttle, der bis zur Light Rail fährt (also zur Straßenbahn). Dann noch einmal umsteigen und ich war ganz schnell wieder „zuhause“.

Das Wäschewaschen habe ich ebenfalls auf morgen verschoben, wird dann halt ein gemütlicher Tag – ich nehme die Wäsche mit, suche den Waschsalon, gehe irgendwo währenddessen frühstücken, bringe die Wäsche zurück und dann geht’s mit der Bahn wieder in die Stadt. Definitiv werde ich in den großen Buchladen (Powell’s Books) gehen, definitiv werde ich 1-3 Kaffees probieren – das geht ganz wunderbar auch mit bockigem Knie. Zur Not ist das dann mein Programm, oder es geht besser und ich erlaufe mir noch andere Teile der Innenstadt, mal sehen. Ihr werdet’s erfahren, denke ich…