Das Gute am Jetlag ist, dass man so richtig viel Zeit hat, Dinge zu erledigen, bevor der Tag eigentlich anfängt. Heute: alle Geräte aufladen, Fotos auf dem Laptop sichern, Bildbearbeitungsprogramm runterladen, Bilder für den Blog auswählen.

Irgendwie war mir heute erst mal nicht danach, mich direkt in den Touristentrubel zu stürzen – und die beiden Tagesordnungspunkte, die heute auf meiner Liste stehen, wären genau solche. Stattdessen wollte ich erst mal Kleinstadt-Feeling und ein richtiges amerikanisches Frühstück. Beides gibt es direkt hier in meinem Vorort, also in Magnolia. Den ich übrigens ganz unglaublich schön finde, ich freue mich schon darauf, am Ende nochmal einen halben Tag hier zu sein.

Vor dem Frühstück noch eine kurze interkulturelle Verwirrung: zufällig habe ich letzte Woche noch ein Video gesehen, in dem Amerikaner in Deutschland sich über das Konzept der Parkscheibe gewundert haben. Sowas gäbe es in den USA nicht. Nun steht aber an jeder Ecke in Magnolia ein Schild, dass man 1 oder 2 Stunden parken darf. Wie wenn nicht mit einer Parkscheibe wird das denn bitteschön geregelt? Ist mir ein Rätsel, ich habe dann sicherheitshalber einfach 200 m weiter geparkt ohne Beschränkung. Ist aber vermutlich für Amerikaner schon zu weit weg…

Auf der Speisekarte gab’s dann wie erhofft lauter glutenfreie Optionen – es gibt sowohl glutenfreies Brot als auch Bagel. Ich entscheide mich für Frenchtoast mit Banane und Pekannüssen.

Nach dem Frühstück bin ich ein Stück in Richtung Innenstadt gefahren, ich hatte mir vorher die Busstrecke angesehen und eine geeignete Stelle ausgesucht, an der ich mein Auto abstellen und mit dem Bus weiterfahren konnte. So spare ich mir die Suche nach dem Parkplatz (und die nicht ganz unwesentlichen Kosten) und bin dank Tagesticket trotzdem flexibel. 

Unterwegs gab’s schon mal nette Aussichten auf die Stadt, das Wetter spielt weiterhin mit und produziert hauptsächlich dekorative Wolken ohne Nebenwirkungen.

Mein erstes Ziel war der Pike Place Market, einer der Touristenmagneten in Seattle. Der hat mich doch sehr an den Basar in Istanbul erinnert, sowohl rein optisch der Eingang, als auch dann das Gewusel und tatsächlich auch viele der angebotenen Waren.

Eine Menge Zeug, dass man jetzt eher weniger bräuchte, würde ich sagen. Ja, es gab auch einen Gemüsestand und einen Blumenhändler, dazu einmal Fisch und einmal Fleisch, aber wenn ich nicht irgendeinen wesentlichen Teil übersehen habe, dann war der Rest so aus der Abteilung T-Shirts, Kunsthandwerk und Pflegeprodukte.

Ich bin einmal komplett durch gelaufen, mitsamt allen Abzweigungen. Hier eine kleine Auswahl der Eindrücke:

Bekannt aus Film und Fernsehen sind vor allem die Fischverkäufer direkt am Eingang, die den Fisch über mehrere Meter werfen. Ich habe das Geheimkommando nicht raus gefunden, aber irgendwie machen sie das in relativ regelmäßigen Abständen. 

In der Straße direkt neben dem Markt befindet sich der aller erste Starbucks, zu erkennen vor allem an der wirklich langen Schlange. Mir reicht ein Foto, beziehungsweise mehrere, denn der Kaffee ist hier genauso wie in jedem anderen Starbucks. 

Der einzige Unterschied ist das alte Logo, hier mal zum Vergleich alt und neu:

Als Nächstes bin ich diverse Treppen zur Waterfront runtergelaufen. Die Straße direkt am Wasser entlang ist eine riesige Baustelle, da war ich ja gestern schon mit dem Sightseeing-Bus lang gefahren. Die Vergnügungsmeile erstreckt sich über mehrere Piers, hauptsächlich mit verschiedenen Restaurants und Fressbuden und maritim angehauchten Souvenirgeschäften. 

Ich habe das schöne Wetter ausgenutzt und mich am Riesenrad ans Wasser gesetzt und gelesen. Mit Sonnenbrille. Erwähnte ich die 100% Regenwahrscheinlichkeit? 

Um mir ein bisschen Fußweg zu sparen, vor allem weil der ziemlich steil bergauf geführt hätte, habe ich auf den nächsten Rundfahrtbus gewartet. Einen Zeitplan gibt es da leider nicht, und er kommt so ungefähr alle 30 Minuten. Ich bin erst sehr spät auf die Idee gekommen, mir nebenan bei Starbucks einen kleinen Snack zu holen – natürlich kam der Bus gerade dann, als ich an der Kasse stand. Passte so gerade noch und ich konnte eine halbe Runde lang noch mal dem Tonband lauschen und dabei Fotos machen. Der Vorteil war, dass ich jetzt ja wusste, wann was kommt, und mich eher auf Details konzentrieren konnte.

Nachdem ich ja vorhin den ersten Starbucks für nicht so wichtig gehalten habe, kommt jetzt wieder was von Starbucks, das mich deutlich mehr gereizt hat. Unter anderem auch aufgrund eines Blogs, den ich vorher irgendwo gefunden hatte. 

Im Starbucks Reserve & Tasteroom gibts – na klar, Kaffee. Aber eben ganz besonderen. War mir gar nicht so bewusst, aber Starbucks hat neben dem normalen Programm auch noch exklusivere Sorten, eben Starbucks Reserve. Dieser Laden hier ist einer von nur sehr wenigen weltweit dieser Art, ich glaube sechs oder so. Es ist eine Mischung aus Souvenir-Shop (mit deutlich hübscheren Artikeln als im normalen Starbucks-Sortiment!), Rösterei und natürlich Café.

In dem kleineren Röstofen werden ausschließlich die Bohnen zum Direktverzehr gerüstet, über verschiedene Rohre gelangen die direkt in die Behälter an der Kaffeebar. Der größere Röstofen produziert alle Bohnen der Reserve-Marke für ganz Nordamerika. Diese werden dann auch hier verpackt.

Ich habe mich für eine leckere Kaffeesorte entschieden und mich damit noch einen Platz umgesehen.

Es war relativ voll, aber ich kam zeitgleich mit einer anderen Kundin an einem freigewordenen Tisch an. Da sie zu zweit war, ich alleine und der Tisch vier Stühle hatte, passte das und wir haben uns zusammen hingesetzt. Wir sind dann schnell ins Gespräch gekommen und haben über eine Stunde lang über Reisen, COVID, den Unterschied zwischen Deutschland und Bayern, Lieblingsstaaten in den USA und Europa, Sprachkenntnisse und vieles mehr geplaudert.

So lange wollte ich eigentlich gar nicht bleiben, aber es war so nett, dass ich dafür gerne den nächsten und wahrscheinlich auch übernächsten Rundfahrtbus verpasst habe. Damit wollte ich nämlich eigentlich ein Stück weiter fahren. So musste ich laufen, das machte aber gar nichts, denn die Gegend war sehr viel belebter, freundlicher und interessanter als gestern.

Mein Ziel war Capitol Hill, ein Viertel, das ebenfalls in dem BlogBeitrag empfohlen wurde. Mir fallen hier an sehr vielen Stellen die Regenbogenflaggen auf, aber in Capital Hill war’s definitiv am stärksten ausgeprägt bisher. Bis hin zu den regenbogenfarbenen Zebrastreifen, die nicht etwa von Privatleuten, sondern von der Stadtverwaltung so gestaltet worden sind.

Unter anderem hatte ich hier eine Empfehlung für ein glutenfreies Restaurant, dass aber leider montags geschlossen hat, wie ich dann festgestellt habe. Also Plan B – ein unglaublich leckeres glutenfreies Schokolade-Tahini-Eis, inklusive Hörnchen. Mjam!

Da ich immer noch Lust auf Spaziergang hatte, bin ich nicht mit dem Bus weiter gefahren, sondern ein ganzes Stück gelaufen mit verschiedenen Schlenkern nach links und rechts durch Downtown. Dieser Teil gefällt mir definitiv sehr viel besser als der gestern. Es kann eigentlich nicht nur daran liegen, dass dort die Wolkenkratzer stehen… und damit mehr Manhattan Feeling aufkommt. Denn so ähnliche Gegenden wie gestern gibt es ebenfalls in New York, da ist ja auch nicht alles 50+ Etagen hoch. Aber ist eigentlich auch egal, muss ja nicht alles gleich schön sein…

Ich hab mir dann eine passende Bushaltestelle gesucht und bin zu meinem Auto zurückgefahren, das stand nach kurzem Fußweg durch eine Bilderbuchnachbarschaft auch brav noch da, wo ich es morgens zurückgelassen hatte:

Ich hatte zufällig heute Morgen neben meinem Frühstückskaffee eine Pizzeria gesehen, die – wen wundert’s – auch glutenfrei kann. Da das mit dem glutenfreien Restaurant ja nicht geklappt hatte, brauchte ich noch eine Option fürs Abendessen. Und da das Wetter immer schöner wurde, war Pizza draußen essen eine hervorragende Option. Also kurzerhand bestellt, kurz gewartet, und dann ab zum Magnolia Park direkt oberhalb des Wassers. 

Anscheinend gibt es hier einen Hunderassentrend: Corgies – ich glaube jedenfalls, dass das welche sind. Die sieht man überall, ich würde sagen, so langsam habe ich in diesem Urlaub mehr davon gesehen als in meinem bisherigen Leben insgesamt.

Aber das nur am Rande, eigentlich war ich ja für diese Aussicht hier:

So kann man’s schon aushalten, auf der anderen Seite sehe ich die Berge, in die Richtung ich mich morgen aufmache. Also die Olympic Range. Sie werden gerade immer klarer, ich sitze nämlich während ich dies hier diktiere im Auto mit Blick auf rosa-orange gestreifte Wolken und schneebedeckte Berge.

Ein bisschen fühlt es sich an, als würde der Urlaub morgen erst losgehen. Ich freue mich sehr auf die Fahrerei (klingt komisch, ist aber so) und vor allem die verschiedenen Landschaften…